Bei der Premiere des Kostümfilms „Die Schwester der Königin", einem der mit
Spannung erwarteten Höhepunkte der Berlinale, gab es am Freitagabend eine
überraschende Wendung. Als Scarlett Johansson und Natalie Portman den roten
Teppich vor dem Berlinale Palast betraten, erklommen Prekäre Superhelden die dortige Großbildleinwand und entrollten ein Banner mit der Aufschrift
„Mir reicht's nicht, Statistin in meinem eigenen Leben zu sein."
Von der Leinwand herunter riefen sie:
„Berlinale und Glamour – Prekäre Arbeit pur!"
Die beiden Superhelden Glamgirl und Incrediboy forderten eine
öffentliche Diskussion über prekäre Arbeits- und Lebensbedingungen:
„Mir eicht's, dass es selbstbestimmte Arbeit nur im Tausch gegen Prekarität gibt.
Mir reicht's nicht, nur 5,50 Euro die Stunde zu verdienen.
Mir reicht's, dass nach jedem Filmprojekt der Absturz auf Hartz IV droht.
Mir reicht's nicht, dass es das schöne Leben immer nur in der Zukunft gibt."
Dabei warfen sie mit Glückskeksen, in denen sich statt Sinnsprüchen Zitate von Beschäftigten der Berlinale befanden: „Ich habe im Sommer gekellnert, um mir das Praktikum leisten zu können, dabei sein ist alles." (Praktikantin).
Auch zwischen den Besuchern tauchten Prekäre Superhelden auf - sie hielten Sprechblasen hoch mit Statements wie „Immer wieder Hartz IV – für 'Vier Minuten' Plaisir" und
„G.L'amour will ich mir leisten können!".
Mit ihrer Aktion unterstützten die Prekären Superhelden die Kampagne „Mir reicht's ... nicht!", die sich gegen unsichere Arbeitsbedingungen in der Kultur- und Wissensproduktion richtet. Jana Schmitz, Sprecherin der Kampagne, macht deutlich:
„Gerade in der Filmbranche liegen Prekarität und
Glamour oft dicht beieinander. Doch während bei der Berlinale alle Kameras auf den roten Teppich gerichtet sind, bleiben schlechte Arbeitsbedingungen und fehlende soziale Absicherung weitgehend unsichtbar. Das wollen wir ändern. Die Freiheit, darüber zu sprechen, nehmen wir uns hier."
Und weiter:
„Prekarität hat viele Gesichter. Doch trotz aller Unterschiede gibt es auch Gemeinsamkeiten. Ein bedingungsloses Grundeinkommen oder die Verallgemeinerung der Künstlersozialkasse würde die Situation von vielen
Prekären grundlegend verbessern."
Die Berlinale, so Jana Schmitz, sei nur als ein Ort ausgewählt worden, an dem sich das Phänomen Prekarisierung beispielhaft aufzeigen lasse:
„Prekäre Verhältnisse finden sich überall – in der Kulturbranche sind sie nicht nur weit verbreitet, sondern auch besonders akzeptiert.
Das Versprechen von
kreativer Selbstverwirklichung und das Rampenlicht der Filmbranche rechtfertigen unbezahlte Praktika und selbständige Dauerverausgabung."
Mit dem Auftritt der Prekären Superhelden setzte sich die Intervention der Kampagne „Mir reicht's... nicht!" auf der Berlinale fort. Bereits am
Samstag, den 9.2., hatte im Roten Salon der Volksbühne die
„Gala der Prekären Perspektiven" stattgefunden. Dort wurden beispielhafte Protestaktionen von Prekären Kulturproduzenten prämiert – etwa die Intermittents du Spectacle aus Paris, die einen Sommer lang die Musik- und Theaterfestivals in Frankreich lahmlegten.
Die Berlinale war nach der documenta 12 die zweite Station der Kampagne „Mir reicht's ... nicht!" Auch in Kassel waren zahlreiche Gespräche mit Kulturprekären geführt und über gemeinsame Strategien diskutiert worden.