Die clownarmy - Eine Art Manifest
Aus CONTRASTE Nr. 284 (Mai 2008, Seite 5)
EINE ART MANIFEST
Die clownarmy
CIRCA, die clandestine insurgent rebel clown army, befreit die clowns wieder aus dem zirkus und bringt sie zurück ins öffentliche leben, auf plätze der unterdrückung, der eingefahrenen rollenmuster und der macht. Denn das war seit anbeginn der zeiten die rolle des narren, des tricksters oder wie auch immer jede kultur diese wanderer zwischen den welten nennt, diese grenzüberschreiter und möglichkeitenaufzeiger.
Die rebel clowns von circa begnügen sich allerdings nicht mehr mit der rolle des hinweisers und zum nachdenkenbringers, sie kombinieren die uralte kunst des clownens mit der kunst der gewaltfreien direkten aktion, sie werden selbst aktiv. Denn wir sind keine autobahnbegrüner oder publikumsbespaßer, wir wollen die ganze bäckerei und nicht nur ein stück vom kuchen, wir sind keine kuschelclowns, auch wenn wir das zwischendurch gerne tun, wir sind rebel clowns, weil wir wütend sind, wütend und entsetzt über die zustände dieser welt, wo kinder verhungern, während essen vernichtet wird, wo menschen erschossen werden, weil sie für ihre rechte eintreten, wo flüchtlinge von denen abgewiesen werden, die ihr leid ausgelöst haben, wo in unserm namen kriege geführt werden.
Wir sind clowns, hypersensible wesen, und damit empfänglich für das leid dieser welt, wir verkriechen uns nicht ins sichere zirkuszelt, wir stellen uns dem wahnsinn. Und es bleibt uns garnichts andres übrig als zu kämpfen. Wir erklären dem krieg dieser welt unsern krieg. Aber wir sind clowns, und damit kämpfen wir nicht mit der binären logik des aktivisten, wir lassen uns nicht ein auf das freund feind schema der unterdrückung, wir kämpfen mit der clownlogik, wir verlachen autoritäten und ihre rollen, aber wir lieben die menschen in den uniformen dahinter, wir lassen uns nichts befehlen, aber wir helfen jedem und hören jede bitte.
Wir sind die clownarmy, eine armee, weil einzelne clowns nur zu leicht als pathetische figuren wahrgenommen werden, in schubladen gesperrt und als harmlos ungehört bleiben. Unser training enthält ein drilling, neben bouffonesken fortbewegungsmethoden lernen wir marschieren, denn das ist es, was am ehesten macht und stärke darstellt. Als clowns haben wir keine angst vor der macht, wir bekämpfen sie nicht und gehen ihr aus dem weg, denn das ist sowieso nicht möglich bei ihrer allgegenwart, nein, wir nehmen die macht und persiflieren sie, marschieren diszipliniert und lachen einen moment später darüber, tragen eine uniform und nähen rosa puschel dran. Denn das ist es, was die mächtigen nicht vertragen, über einen clown lachen kann jeder, aber über einen clown in uniform kann nur lachen, wer seinen selbstwert nicht an diese uniform hängt.
Ausserdem macht es spass zu marschieren, zusammen, und auf aktion ist es wichtig, koordiniert, verbindlich, solidarisch und diszipliniert aufzutreten. Die clownarmy ist in gaggles organisiert, batallione, die sich vor jeder aktion absprechen, sie nachbereiten, im ernstfall zusammenbleiben und geübt haben, schnell zu entscheidungen zu kommen. Diese gaggles sind der kern der clownarmy, denn nur aus dieser graswurzelorganisation ist ein gemeinsames auftreten (und eine andere welt) möglich, wir sind schnell und beweglich, kein chef oder der ärger über ihn hemmt unsere spielfreude. Wir sind rebellen, wir werden immer rebellieren, wenn jemand macht sammelt und missbraucht und sei es auch im namen der revolution, uns ist das leben wichtiger als ein masterplan, wir transformieren als rebellen nicht nur die haltung gegenüber der macht, sondern alle unsere lebensbereiche, rollenmuster, die art zu leben, lieben, lachen und die revolution zu machen.
Die presse liebt die clownarmy, bunte bilder, die ohne lange statements 1000 worte sagen, ein clown mit grimmigem gesicht in einer gepanzerten polizeikette, ein batallion was sich an einen wasserwerfer heransockt, das gibt die dicke kohle vom redakteur. Und natürlich wollen alle ein statement, ein manifest, ein paar sätze, die sie hinterher nach ihrem gutdünken verhackstücken können, ein ding der unmöglichkeit mit nase. Wir sind keine verkleideten demonstranten, die sich die nase aufsetzen, umunter ihrem schutz weiter gehen zu können, und jederzeit ein politisches statement abrufen können, wir sind clowns, trainierte clowns, die jederzeit den menschen hinter der kamera sehen können, oder auch den in der kamera, aber nicht ein manifest wie dieses verlesen können mitten im spiel. Und wir sind klandestin, wir lehnen den personenkult der politischen parteien ab, wir sind geschminkt, weil unsere wünsche und träume mehr bedeuten als unsere alltagsgesichter und biografien. Wir sind kamerageil und egozentrisch, suchen die öffentlichkeit und das zentrum der aufmerksamkeit, nicht weil wir persönlich erkannt werden wollen, sondern weil wir clowns sind und jeden spielplatz lieben, wo etwas los ist, wir tauchen unerwartet auf und wieder unter, wir sind überall, in jedem menschen steckt der innere clown, der befreit werden will, das wilde unbezähmbare freudige wesen, was nie verstehen wird, warum diese welt so trist und unfair sein muss, so eingeschränkt und eingeengt. Wir sind überall, seit dem g8 in heiligendamm ist die clownarmy sogar eine interplanetarische, aus dem ganzen sonnensystem sind sie gekommen um den letzten rückständigen planeten zu besuchen, wo immer noch ein paar wenige über die andern herrschen, diesen schurkenplaneten, diesen failed planet, das war die letzte aufforderung sich am horizontalen, anarchistischen modell des universums zu orientieren und freiwillig auf die unterdrückungsmechanismen der macht zu verzichten. Denn das muss doch auf dauer anstrengend sein, immer alle unter kontrolle halten zu müssen, bei der clownarmy gibt es auch immer mal wieder einen chefclown, für kurze zeit, dann wird das spiel langweilig, die gut formierte armee spritzt auseinander, spielt an tausend ecken und findet erst wieder zusammen, wenn es ansteht, ordnung ohne herrschaft.
Die rebel clown army rekrutiert ihre kombattanten durch ein ausführliches drei tage training, in dem der innere clown gesucht und gefunden, die zusammenarbeit der clowns geübt und ein gaggle organisiert wird, das dann aktionsfähig und auf repression seitens der spassverderber vorbereitet ist. Run away from the circus, join the rebel clown army!
Die clownarmy wächst rasant und es gibt immer wieder diskussionen, in welche richtung das eher gehen sollte. Es gibt inzwischen etliche clowns, die kein circa training durchlaufen haben, viele missverständnisse und so viele unterschiedliche trainingsstile wie trainer.
Ich meine, wenn wir wirklich eine bewegung sein wollen, die nicht auf den kurzen gag angelegt ist, brauchen wir eine ernste nase und eine diskussion, wo wir damit hinwollen, und wie, ob wir uns auf ein selbstverständnis einigen können, auf ein ähnliches trainingsprogramm, eine struktur im netz und live. Im clownsbarrio am g8 war wenig zeit für diesen austausch, die auseinandersetzung, aber jetzt wo alle wieder in ihrem netten alltag angelangt sind, ist es vielleicht ganz inspirierend, sich dazu auszutauschen. Das kölner gaggle wollte eine internetpräsenz basteln, eine vernetzung ausserhalb der da-liste wäre auch angesagt und im september wird es ein gigantisches clownzeltlager in der altmark geben, mit workshops, trainertrainings, diskussionen und um all die nasen nochmal wieder zu treffen, die inzwischen herumrocken und in heiligendamm famoses geleistet haben. Hut ab hipphipp.
Verbreitet das doch mal weiter und krittelt dran herum, dies ist ein erster entwurf und: scheitern gehört zum clown (aber auch immer wieder versuchen... :-)) untertänigst und aufmüpfig, euer generalstabsgefreiter gec |