Peter Nowak 06.08.2008
Es ist die größte Aktion von Gefangenen seit langem. In der Vergangenheit waren Hungerstreiks in Haftanstalten immer eng mit Häftlingen verbunden, die politische Motive hatten. So gab es in den 70er und 80er Jahre mehrere Hungerstreiks von Mitgliedern der Rote Armee Fraktion, die vor allem die Zusammenlegung in größeren Gruppen und die Freilassung von kranken Gefangenen forderten. Ihnen hatten sich auch Haftinsassen angeschlossen, die nicht wegen politischer Delikte verurteilt worden waren. Damals kam die immer umstrittene Unterscheidung in politische und soziale Gefangene auf.
Der letzte Hungerstreik von RAF-Gefangenen fand 1989 statt und hatte eine breitere gesellschaftliche Resonanz erzielt. Damals wurde das Gefangeneninfo gegründet, das bis heute monatlich über Knast und Repression berichtet. Auch dort wird die Unterscheidung in politische und soziale Gefangenen heute nicht mehr für sinnvoll gehalten. Es komme eher darauf an, wie man sich unter Knastbedingungen verhält. "So gibt es den Gefangenentypus, der gegenüber der Gefängnishierarchie sehr unterwürfig ist, aber bei vielen Gefangenen schon deshalb nicht unbedingt beliebt ist und sogar als Denunziant verdächtigt wird. Dann gibt es die Aufmüpfigen, die auch im Gefängnis kein Blatt vor dem Mund nehmen und immer wieder mit Bestrafungen der verschiedenen Art zu rechnen haben", skizziert ein langjähriger Gefängnisinsasse die aktuelle Situation in den Haftanstalten....
Warnungen gab es schon länger
Für die wenigen Menschen, die sich intensiver mit den Zuständen in den Gefängnissen befassen, kommt die Aktion ebenfalls nicht überraschend. Sowohl Gefängnisgeistliche als auch Mitglieder von Gefangenenhilfsorganisationen warnen schon länger davor, finden aber nur selten Gehör. So sorgte vor über einem Jahr die tödliche Misshandlung eines Häftlings in der JVA Siegburg im Herbst 2007 kurzzeitig für Empörung. Dabei wurde allerdings deutlich, dass es sich hier um keinen Einzelfall handelt. Damals wurde auch auf die Überbelegung und die oft im wahrsten Sinne tödliche Langeweile des Gefängnisalltags hingewiesen. Nach einer kurzzeitigen Empörung war das Thema wieder aus der Öffentlichkeit verschwunden.
In den letzten Monaten alarmierten mehrere Selbstmorde in hessischen Gefängnissen, darunter mehrere Jugendliche, zumindest Gefängnisgeistliche. Doch schnell werden solche warnende Stimmen von populistischen Diskursen über die angeblich zu liberalen Gefängnisse an den Rand gedrängt. Deshalb ist es auch jetzt nur eine kleine Zahl von Einzelpersonen und linken Organisationen, die den Hungerstreik der Häftlinge außerhalb der Gefängnismauern unterstützt....
Von Peter Nowak
Hunderte Gefangene wollen mit einem einwöchigen Hungerstreik gegen Missstände im Gefängnis protestieren. Sie fordern die Abschaffung von Isolationshaft, Sicherungsverwahrung und Zensur. »Mittlerweile bin ich an einem Punkt angekommen, wo ich leider sagen muss, dass ich definitiv nicht mehr kann.« Diese Zeilen finden sich in einem Brief von Nadine Tribian. Die Frau ist im Gefängnis Bielefeld-Brackwedel inhaftiert und wehrt sich seit Langem gegen ihre Haftbedingungen. Weil sie kein Blatt vor den Mund nehme und immer wieder ihre Situation anprangere, sei sie besonderen Schikanen ausgeliefert, heißt es in der holländischen Gefängniszeitung »Uitbraak« über die Frau, die zum Ausgangspunkt des bundesweiten Hungerstreiks wurde. Er soll von heute an bis zum 7. August dauern.
Hungerstreik gegen staatliche Willkür - Über 500 Gefangene in BRD-Haftanstalten verweigern derzeit die Nahrungsaufnahme...
Demo von Knast zu Knast - Soligruppe fordert Freilassung von Antifa und protestiert gegen Missstände in Gefängnissen...